Wenn der medizinische Laie an Borderline denkt, fällt ihm meist nur ein, dass das Leute sind, die sich selbst Verletzungen zufügen und unberechenbar sind. Was halt so aus gelegentlichen Presseartikeln hängen bleibt.
Doch was steckt dahinter? Wie funktioniert Borderline? Woher kommt diese Störung?
Basis dieser Persönlichkeitsstörung ist eine innere Leere und ein gestörtes Selbstbild. Ohne Selbstbild (Identität) und innere Werte kann der Mensch aber sich selbst und seinen Lebensweg nicht erkennen bzw. definieren, Vorlieben und Ziele sind unklar und gestört.
Daraus folgen dann je nach Lebenslauf und Umfeld weitere Symptome, wie
woraus dann wieder weitere psychische und körperliche Probleme folgen (können).
In der Jugend sind die oben aufgelisteten Sekundärsymptome stärker ausgeprägt, dann lernen viele auch ohne Behandlung mit der Zeit, ihr Verhalten gesellschaftsverträglich einzurichten. Letzteres hat leider auch zur Folge, dass Borderline bei Erwachsenen schwerer zu erkennen ist, so dass sie sich Jahrzehnte oder gar bis ans Lebensende mit ihren inneren Problemen herumquälen und auch andere psychische Störungen entwickeln.
Häufig erscheint die Borderline-Persönlichkeitsstörung dann z.B. als
Weitere, sehr detaillierte Informationen über Borderline hinter den Links am Ende der Seite.
Wie so viele psychische Störungen hat auch Borderline einen erblichen und einen umweltbedingten Anteil. Und (nur) letzterer kann in der Kindheit bei Erziehung und Betreuung beeinflusst werden.
Der Mensch ist ein soziales Wesen (Alfred Adler). Er braucht die Zuwendung anderer, um Bestätigung zu erhalten, um sein Leben als sinnvoll zu empfinden. (Nicht ohne Grund ist [Isolier-]Haft eine Strafe.) Und er bedarf dieser Zuwendung umso mehr, je abhängiger er ist, je weniger er gelernt hat, allein zurechtzukommen, also ganz besonders je jünger er ist.
Der Mensch versucht von klein auf, also schon als Baby, Kontakt zu seiner Umgebung aufzunehmen. Erfolgt auf diese Versuche eine Reaktion, so lernt es: "Ich kann etwas bewirken, mein Verhalten, mein Leben ist sinnvoll." Das Kind kann Urvertrauen und Identität entwickeln, und es entwickelt Vorlieben und Ziele (bevorzugt solche, die angenehme Reaktionen hervorrufen ).
Erfolgt dagegen keine Reaktion, oder sind die Reaktionen rein zufällig oder gleichförmig (keine Ursache-Wirkung-Verknüpfung erkennbar), so entsteht ein Gefühl der Sinn- und Wertlosigkeit, die innere Leere. Motto: "Ich kann machen, was ich will, es bewirkt ja doch nichts."
Vernachlässigung oder Misshandlung (verbal oder körperlich) durch die Bezugspersonen und Unberechenbarkeit der Bezugspersonen (dazu gehört auch häufiger Wechsel)
sind also wesentliche Faktoren für die Entwicklung der Borderline-Persönlichkeitsstörung.
Vergleichbare Wirkung hat die Hilflosigkeit bei Gewalt und Missbrauch.
Aus dem Gefühl der Sinn- und Wertlosigkeit, der inneren Leere, entwickeln sich dann die Sekundärsymptome. (Der folgende Kasten mit den Details kann auch übersprungen werden.)
wechselnde, instabile Stimmung
wenn keine/kaum Vorlieben und Ziele vorhanden sind, woher sollen dann Erfolgserlebnisse oder Enttäuschungen kommen, die eine Stimmung auf längere Zeit stabilisieren? Aus dieser Ambivalenz zwischen den jederzeit austauschbaren Stimmungen entwickelt sich auch eine innere Spannung. Mangelnde Selbstkontrolle und Impulsives Handeln ohne Rücksicht auf Konsequenzen Wie bzw. warum sollte jemand Selbstkontrolle entwickeln, wenn sein Verhalten in der prägenden Kindheitsphase kein logisches Feedback erhält? gewalttätiges und/oder explosibles Verhalten, besonders bei Kritik dient dem Spannungsabbau, und bei Kritik auch der Verteidigung des ohnehin schwachen Selbstwertgefühls. selbst schädigende oder hochriskante Handlungen (Schnitt- und Brandverletzungen, Kopf aufschlagen, Drogen, wahlloser ungeschützter Sex, Komasaufen, öffentliche Autorennen, Fahrstuhlsurfen, … ) dient dem Abbau der inneren Spannungen (s.o.), und/oder der Flucht aus der inneren Leere, indem Gefahr oder Schmerz "das Leben fühlen lassen". unbeständige Beziehungen Klar doch. Welcher Partner hält sowas auf die Dauer aus. Suiziddrohungen Wie bei Depressionen wäre ein Suizid eine verlockende Flucht aus der Sinn- und Wertlosigkeit. |
Die Behandlung erfolgt in bis zu vier Phasen:
Erste Phase ist die Beseitigung von Verhaltensweisen, die Leben, Gesundheit oder Therapie gefährden. (Suizidneigung, Selbstverletzung, Aggression, Therapieverweigerung…) Diese Phase erfordert wegen der Komplexität und Intensität ein ganzes Team von Therapeuten.
In der zweiten Phase werden die Ursachen der Störung aufgearbeitet (Traumata, Vernachlässigung…)
Phase 3 und 4 kümmern sich um Normalisierung und Weiterentwicklung des Gefühlslebens und sind damit nicht Borderline-spezifisch (und auch keine Leistung der Kassen, die sich nur um "Funktionsfähigkeit" der Menschen kümmern).
Ein wichtiges Element während der ganzen Behandlung ist die Beherrschung der Achtsamkeit, denn nur die wertungsfreie Wahrnehmung von Körper, Gefühlen und Gedanken ermöglicht deren Beherrschung und die Selbstkontrolle.
In der Jugend 6%, was sich auch mit einer Studie in der USA deckt, die die Prävalenz über die ganze Lebenszeit mit 6% angibt. |
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung betrifft zurzeit offiziell 2% der erwachsenen Bevölkerung. Ich rechne jedoch damit dass dieser Wert in Deutschland
1) 2013 |
auf Grund der aktuellen1) Familienpolitik noch ansteigen wird.
Wie bereits erwähnt, brauchen Kinder feste Bezugspersonen, die ihnen Zuwendung und Geborgenheit geben, damit sie Urvertrauen, Identität, Werte, … entwickeln.
Dafür geeignet sind Menschen, die regelmäßig-zuverlässig da sind und dabei genügend Zeit und Interesse für jedes Kind haben.
Das sind z.B.
Idealbeispiel Kinderdorf |
Nicht geeignet sind Institutionen,
Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) stellte im März 2009 fest,
dass die aktuellen Betreuungsschlüssel in deutschen Kindertagesstätten nicht mehr internationalen Standards entsprächen.
"Es gibt einzelne Orte in Deutschland, wo die Krippen gut sind, aber bisher sind das Glücksfälle." (Wassilios Fthenakis, Berater des Familienministeriums) |
Und da sieht es in Deutschland nach meinen Recherchen ziemlich mau aus.
Langfristig bedeutet die aktuelle Familienpolitik:
Durch Frauenförderung, Lockmitteln wie Krippen, Kindertagesstätten, Ganztagsschulen etc. sollen immer mehr Ehepaare zu Doppelverdienern werden und ihre Kinder in (offensichtlich minderwertige) staatliche Betreuung geben, um einen angeblichen Fachkräftemangel zu beheben.
Der wirkliche Effekt ist kurzfristig, dass durch erhöhtes Arbeitskräfteangebot die Arbeitgeber die Löhne drücken können, von denen dann auch noch über Einkommen- und Mehrwertsteuer die zusätzliche öffentliche Betreuung bezahlt werden muss.
Viel schlimmer aber ist der langfristige Effekt:
Durch Mangel an Zuwendung und Geborgenheit in der staatlichen Kinderbetreuung werden die psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen zunehmen
(und Borderline ist nur eine Art davon).
Dies führt dann auch noch zu schlechteren Lernleistungen, so dass viele Menschen dieser Generation(en) für die Arbeitswelt
nicht nur wegen ihrer Persönlichkeitsstörungen, sondern auch wegen mangelnder Qualifikation schwer zu gebrauchen sind.
Schließlich noch ein Nachwort für ideologisch Verblendete, die auf Länder hinweisen, in denen diese Art Familienpolitik funktionieren soll:
In den Ländern, die mir bisher dazu genannt wurden, ist sowohl die staatliche Betreuung besser, als auch das Verhältnis der Gesellschaft gegenüber Kindern. Kinder machen dort wesentlich seltener die Erfahrung, dass sie stören, und wenn sie Hilfe brauchen, sind die meisten Menschen dafür aufgeschlossen. Sie können Vertrauen in ihr Umfeld haben. Ich erinnere mich, dass es in Deutschland, in der Nachkriegszeit auch so war, heute dagegen brauchen deutsche Kinder zu ihrer Sicherheit extra ausgewiesene Ansprechpartner, wie z.B. die Notinsel. Wenn Deutschland hinsichtlich Kinderfreundlichkeit auch noch so wäre (oder wieder würde) wie diese Musterländer, könnte diese Familienpolitik bei uns funktionieren, ohne den Kindern zu schaden.
Bessel van der Kolk, ein führender Traumaforscher und -therapeut, bemüht sich darum, eine Diagnose "Entwicklungsbezogene Traumafolgestörung" in die medizinischen Manuale einzuführen, die mit der Definition der Borderlinestörung nahezu identisch ist.
Mir wäre das ausgesprochen sympathisch. Diese Bezeichnung lenkt die Sichtweise von den Symptomen auf die Ursache und würde sowohl die Behandlung erleichtern, als auch die Bereitschaft, die Existenz der Störung anzuerkennen und sich in Behandlung zu begeben.
Wikipedia
borderline-borderliner.de (sehr umfangreich und verständlich, von einer Betroffenen)
emotion.d
rp-online.de
Selbsthilfegruppen auf meiner Seite Hilfreiche Links
Wikipedia zu Kinderkrippen
Wikipedia zu Betreuungsschlüssel
Heimerziehung in der DDR